Weltanschaulich steht Vargas Llosa weiterhin links, auch wenn er vom Liberalen Raymon Aron, dessen Artikel er im konservativen Figaro liest, beeindruckt ist. Ein fünftägiger Moskau-Besuch im Mai 1968 führt ihm allerdings die Unfreiheit und Verwahrlosung im sozialistischen Alltag vor Augen.19 Im August folgt die Invasion sowjetischer Panzer in der Tschechoslowakei, ein Gewaltakt, den Fidel Castro zur Enttäuschung seines Anhängers gutheißt. Mit dem karibischen Revolutionär bricht er 1971, nachdem der kubanische Schriftsteller Herberto Padilla wegen moderater Kritik an der Kulturpolitik verhaftet und zu einer öffentlichen Selbstbezichtigung gezwungen wird. Vargas Llosa initiiert einen Protestbrief an Castro, den 61 Autoren unterzeichnen, nicht aber der García Márquez. Die beiden Exponenten des Booms lateinamerikanischer Literatur entfernen sich voneinander und unter den Interessierten an dem Kontinent bilden sich ein pro-kubanisches und ein kubakritisches Lager. Mit der Abkehr von Kuba schwenkt Vargas Llosa zum Liberalismus um, jedoch geht „diese Entwicklung undeutlich und in unsicheren Orientierungsversuchen vor sich“, konstatiert der Romanist Thomas M. Scheerer, der bei Vargas Llosa in den 70er Jahren eine Art „Trauerarbeit“ über den Verlust der früheren Begeisterung erkennt.20 Spätestens Anfang der 80er Jahre hat sich Vargas Llosa zum Liberalen gewandelt. An die Stelle von Jean-Paul Sartre, der ihm in jungen Jahren eine Offenbarung war, tritt dessen Antipode Albert Camus; und hatte der peruanische Schriftsteller 1963 noch von Paris aus das Grab von Karl Marx in London aufgesucht, reist er nun ins schottische Kirkcaldy, wo Adam Smith sein Hauptwerk „Wohlstand der Nationen“ verfasste, und nach Edingburgh, um einen Blumenkranz in der Kirche niederzulegen, wo der Vordenker des Wirtschaftsliberalismus begraben liegt. Seine neuen Vorbilder werden zudem die liberalen Denker Friedrich August von Hayek, Karl Popper und Isaiah Berlin, die er 1979 während seiner Zeit als Gastschriftsteller an der Smithsonian Institution in Washington rezipiert, sowie – in der politischen Praxis – die britische Premierministerin Margret Thatcher.21